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Führungskräfte haben an der Insolvenzwelle schwer zu schlucken

 

Handelsblatt 

Freitag, 17. Dezember 2004

Komfort der langen Kündigungsfrist geht verloren Potenzial auf Abfindungszahlungen sinkt gegen Null.

von Marcus Creutz mit RAin Antje Burmester

Komfort der langen Kündigungsfrist geht verloren Potenzial auf Abfindungszahlungen sinkt gegen Null

GARMISCH. Für Harald B. hatte alles so gut begonnen. Zuerst wurde er als Prokurist einer mittelständischen Maschinenfabrik, in der er sich über Jahre hochgedient hatte, von einem Headhunter abgeworben. Der neue Arbeitgeber bot ihm für die gleiche Position nicht nur das doppelte Gehalt - auch beim Dienstwagen ging die PS-Zahl steil nach oben. Und mit der lan-gen Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende wähnte sich Harald B. auf der si-cheren Seite. Doch schon ein Jahr später platzte der Karrieretraum mit einem Schreiben des Insolvenzverwalters, der Harald B. mit einer Frist von nur drei Monaten kündigte.

Das Wort Insolvenzeröffnung, in diesem Jahr in zehntausenden von Betrieben bittere Realität, versetzt nicht nur die normalen Arbeitnehmer in Angst und Schrecken auch in den Chefetagen grassiert die pure Existenzangst, wenn der Insolvenzverwalter erst einmal das Zepter in die Hand nimmt. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers führt zwar nicht automatisch zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Insolvenzverwalter, der in die Rechtsposition des Arbeitgebers eintritt, hat allerdings das Recht zur ordentlichen Kündigung nach § 113 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) mit einer Frist von drei Monaten. Was das für leitende Mitarbeiter in der Konsequenz bedeutet, be-schreibt die Fachanwältin für Arbeitsrecht Antje Burmester aus dem Kölner Büro der Sozie-tät Ulrich Weber & Partner: Diese verkürzte dreimonatige Kündigungsfrist setzt sich gegen-über sämtlichen längeren Kündigungsfristen, Befristungen und Unkündbarkeitsregelungen durch, ganz gleich, ob diese auf Gesetz, Tarifvertrag oder Einzelarbeitsvertrag beruhen.

Doch Antje Burmester nennt noch einen weiteren eklatanten Nachteil für Führungskräf-te in der Insolvenz: Der Leitende verliert nicht nur den Komfort einer langen Kündigungs-frist, sondern auch das Potenzial, Ausstiegsregelungen gegen Abfindungszahlungen zu ver-einbaren, Ein Trostpflaster hat Thomas Müller-Bonanni, Partner im Düsseldorfer Büro der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer aber dennoch für die Leitenden: Wer als Führungs-kraft nicht abwarten will, ob sich ein Erwerber findet, der das Unternehmen fortführt, kann seinerseits vorzeitig aus dem Vertrag aussteigen.

Wer allerdings keine berufliche Alternative findet, der streitet nicht selten mit dem Insol-venzverwalter darum, ob die eigenen Gehaltsforderungen denn nun anderen Gläubigeransprü-chen vorgehen oder nur noch quotal zu befriedigen sind. Doch wo nichts mehr zu holen ist, steht auch das Recht nur noch auf dem Papier, zumal die Rechtsprechung auch das Führungs-personal zunehmend auf die Quote verweist. Kündigt etwa der Insolvenzverwalter die Leiten-den unmittelbar im Anschluss an die Interessenausgleichsverhandlungen, zählen die Gehalts-ansprüche bei bestehender Masseunzulänglichkeit nicht zu den Neuverbindlichkeiten im Sin-ne des § 209Abs. 1 Ziffe 2 InsO mit der Konsequenz, dass die Forderungen einem Vollstre-ckungsverbot nach § 210 InsO unterliegen und damit nicht mehr einklagbar sind. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) Mitte des Jahres entschieden.

Doch auch den Führungskräfte unterhalb der Leitendenebene, für die das Betriebsverfas-sungsgesetz gilt, ergeht es vor Gericht nicht besser. So etwa beim Anspruch auf Nachteilsaus-gleich gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG für den Fall, dass die Kündigung ohne den Versuch eines Interessenausgleichs noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Arbeitgeber ausgesprochen wurde. Obwohl eine Kündigung zu diesem Zeitpunkt unzulässig ist, zählt der gesetzliche Ausgleichsanspruch nach Ansicht des BAG nicht zu den Masseverbindlichkeiten, sondern lediglich zu den Insolvenzforderungen. Führungskräfte sind hierdurch besonders betroffen, weil bei ihnen Nachteilsausgleichsansprüche aufgrund ihres Gehaltsniveaus deut-lich höher ausfallen als bei anderen Arbeitnehmern, erläutert Rechtsanwalt Müller-Bonanni.

Abgefedert wird dieses Ergebnis allerdings dadurch, dass sämtliche Führungskräfte zu-mindest während der 3-monatigen Kündigungsfrist ihre vollen Grundbezüge in Form des In-solvenzgeldes vom Staat erhalten. Das gilt nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) im Übrigen auch für Fremdgeschäftsführer, nicht jedoch für Vorstände, weil die ganz dem Unternehmerlager zugeordnet werden. Doch auch das Insolvenzgeld soll zum 1. Januar 2004 mit dem neuen Hartz III-Gesetzespaket gekappt werden. § 185 des dritten Sozialgesetzbu-ches soll dahingehend geändert werden, dass der Anspruch auf Zahlung von Insolvenzgeld auf die Höhe der Beitragsbemessungsgrenze begrenzt ist, so Rechtsanwalt Franz-Ludwig Danko aus der Sozietät Kübler. Da das Insolvenzgeld durch eine Umlage der Arbeitgeber finanziert wird, würde diesen eine entsprechende Begrenzung zu Gute kommen. Gedeckelt sind im Üb-rigen auch die Leistungen des Pensionssicherungsvereins gemäß § 7 Abs. 3 des Gesetzes zur betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG). Führungskräfte mit hohen Versorgungsansprü-chen sollten deshalb über zusätzliche Mittel der Insolvenzsicherung nachdenken, empfiehlt Müller-Bonanni. Er nennt zum Beispiel den Abschluss einer Rückdeckungsversicherung durch den Arbeitgeber, die dieser an die Führungskraft verpfändet.

Was bleibt, ist der Geschäftswagen. Wer allerdings als Führungskraft damit liebäugelt, wenigstens den Dienstwagen noch solange behalten zu können, bis das Insolvenzverfahren abgeschlossen ist, wird schnell von der harten Realität eingeholt. Es empfiehlt sich, den Wa-gen möglichst schnell an den Insolvenzverwalter zurückzugeben. Ansonsten stehen nämlich die Leasingfirmen selbst kurze Zeit später vor der privaten Wohnungstür und fordern Schlüssel und Papiere zurück mit wohl nicht immer feinen Methoden, warnt Anwältin Burmester.

Aktenzeichen: BAG - 10 AZR 586/02 und 2 AZR 15/02; BGH - IX ZR 39/02

 
Waldemar Pelke