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Mein Chef ist pleite - was nun?

 

Focus-Online 

Montag, 12. Januar 2009

Der Pleitegeier kreist bedrohlich über deutschen Unternehmen.

Von FOCUS-Online-Autorin Melanie Rübartsch

Der Pleitegeier kreist bedrohlich über deutschen Unternehmen. Wenn eine Firma Insolvenz anmeldet, müssen Arbeitnehmer schnell reagieren.2008 kam es dicke: Pin, Wehmeyer, SinnLeffers, McZahn, Maxdata, Egana-Goldpfeil, Knaus Tabbert oder Scheufelen sind nur einige Beispiele für Unternehmen, die Insolvenz anmelden mussten. Beinahe jede Branche war im Jahr der Finanzkrise betroffen. Zum Jahresende traf es vor allem die Automobilzulieferer: Trotz Zwangsurlaub, Kurzarbeit oder Arbeitszeitkonten konnten sich etwa TMD Friction oder Kittel Supplier nicht mehr retten.  Schon im laufenden Jahr 2008 war die Zahl der Firmenpleiten erstmals seit 2003 wieder gestiegen auf 29 800. Für 2009 erwarten Forscher der Wirtschaftsauskunft Creditreform einen noch deutlicheren Anstieg: Mehr als 33 000 Zusammenbrüche sagen sie voraus. Ein Hauptgrund dafür werde neben der Konjunktur (weniger Aufträge) und Managementfehlern vor allem die Finanzierung sein. Doch was bedeutet eine Insolvenz eigentlich für die Mitarbeiter Wie lange dürfen sie noch mit Gehalt rechnen Wann droht die endgültige Kündigung Und welche Chancen auf Weiterbeschäftigung gibt es FOCUS Online beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was bedeutet es eigentlich, wenn der Arbeitgeber Insolvenz anmeldet?

Ist das Unternehmen zahlungsunfähig oder bilanziell überschuldet, können die Gläubiger oder die Geschäftsführung selbst beim Amtsgericht Insolvenz anmelden. Daraufhin wird das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Dieser muss nach drei Monaten eine Prognose darüber abgeben, ob die Fortführung des Unternehmens ganz oder teilweise möglich ist. Fällt diese positiv aus, wird das Amtsgericht das eigentliche Insolvenzverfahren eröffnen. Ziel ist dann, möglichst viele Teile des Unternehmens zu erhalten oder zu verkaufen, um die Ansprüche der Gläubiger aus der sogenannten Insolvenzmasse so weit wie möglich bedienen zu können.

Welche Auswirkungen hat die Insolvenz auf mein Arbeitsverhältnis?

Das Arbeitsverhältnis wird von der Eröffnung der Insolvenz nicht berührt. Der Arbeitnehmer muss ganz normal zur Arbeit erscheinen. Seine Ansprüche auf Gehalt, Gehaltextras oder Urlaub bleiben bestehen. Wird ein sogenannter starker Insolvenzverwalter bestellt, übernimmt dieser allerdings die Rolle des Arbeitgebers, erklärt Martin Pröpper von der auf Arbeitsrecht spezialisierten Kanzlei Ulrich Weber & Partner in Köln. Das bedeutet: Der Insolvenzverwalter spricht mögliche Kündigungen aus, unterschreibt Aufhebungsverträge oder erteilt die Zeugnisse.

Kann ich die Arbeit verweigern?

Wenn der Arbeitgeber mit seinen Lohnzahlungen erheblich im Rückstand ist, haben Arbeitnehmer tatsächlich ein sogenanntes Leistungsverweigerungsrecht. Das ist in der Regel ab drei nicht gezahlten Gehältern in Folge der Fall, erläutert Arbeitsrechtler Pröpper.

Was ist Insolvenzgeld?

Alle Mitarbeiter haben zwar weiterhin Anspruch auf ihr Gehalt. Allerdings wird das insolvente Unternehmen nicht mehr alle Forderungen erfüllen können. Um die Arbeitnehmer vor dem Risiko des Lohnausfalls zu schützen, springt für drei Monate die Arbeitsagentur ein und zahlt ihnen Insolvenzgeld.

Wie hoch ist das Insolvenzgeld?

Die Arbeitsagentur zahlt das Nettogehalt aus. Die Höhe der Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des Monatsnettos ist jedoch auf die jeweils gültige Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitslosen- und Rentenversicherung begrenzt. Diese lag 2008 bei 5300 Euro brutto in Westdeutschland und bei 4500 Euro brutto in Ostdeutschland. 2009 sind die Grenzen auf 5400 und 4550 Euro gestiegen.

Welche Chancen bestehen, nach Ablauf des Insolvenzgeldes die ausstehenden Bezüge zu erhalten?

Das hängt von der Insolvenzmasse und der Anzahl der Gläubiger des Unternehmens ab. Das verbliebene Betriebsvermögen wird quasi unter Mitarbeitern, Lieferanten und Dienstleistern des Unternehmens aufgeteilt. Um ihre Rechte zu wahren, müssen die Arbeitnehmer all ihre offenen Forderungen an die Insolvenzmasse anmelden. Dazu gehören zum Beispiel Gehalt, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Sozialplanabfindungen, Spesen oder Altersvorsorgebezüge.

Bis wann muss ich meine Ansprüche anmelden?

Die maßgebliche Frist steht im Insolvenzeröffnungsbeschluss. In der Regel schickt der Verwalter diesen Beschluss allen Gläubigern zu oder hängt ihn am Schwarzen Brett aus, erklärt Anwalt Pröpper. Beim Insolvenzverwalter erhalten die Mitarbeiter auch spezielle Vordrucke und Formulare für die Auflistung ihrer Ansprüche.

Gelten andere Kündigungsregeln in der Insolvenz?

Unabhängig von Regelungen in Arbeits- oder Tarifverträgen gilt während der Insolvenz einheitlich eine Kündigungsfrist von drei Monaten. Alle anderen Kündigungsvorschriften bleiben von der Firmenpleite aber unberührt. Daher müssen Arbeitgeber oder Insolvenzverwalter etwa in Betrieben mit mehr als zehn Mitarbeitern weiterhin die Kündigungsschutzvorschriften beachten. Betriebsratsangehörige, Schwangere oder Eltern in Elternzeit genießen einen besonderen Kündigungsschutz, so lange das Unternehmen existiert, erklärt Anwalt Pröpper.

Sollte ich auf die Kündigung warten oder lieber selbst kündigen

Ist ein neuer Job noch nicht in Aussicht, sollte der Mitarbeiter auf eine eigene Kündigung lieber verzichten, rät Experte Pröpper. Die Folge wäre nämlich, dass er eine dreimonatige Sperre beim Arbeitslosengeld riskiert. Auch sollten Mitarbeiter kurz vor einer drohenden Insolvenz vorsichtig mit Einwilligungen in Lohnkürzungen sein. Pröpper: Je niedriger das letzte Monatsnetto, desto geringer wird auch das Insolvenzgeld.

Wann muss ich mich bei der Arbeitsagentur arbeitslos melden?

Spätestens an dem Tag, an dem die Kündigung da ist. Es macht aber Sinn, sich bereits mit Insolvenzanmeldung bei der örtlichen Arbeitsagentur zu melden, empfiehlt Anwalt Pröpper. Die Sachbearbeiter können die Mitarbeiter in puncto Insolvenzgeld beraten und frühzeitig bei der Suche nach einem neuen Job helfen.

 
Waldemar Pelke