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Was ist die richtige Vergütung für Betriebsräte? - Betrachtung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Strafbarkeit bei zu hoher Vergütung

Normalerweise interessieren Arbeitsrechtler die Entscheidung der Strafgerichte nicht. Anders war es jedoch bei der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) in seinem Urteil vom 10.01.2023 (6 StR 133/22). In dem Verfahren ging es um die Strafbarkeit von vier früheren VW-Personalmanagern, die vier Betriebsratsmitglieder extrem hohe Arbeitsentgelte gewährt hatten. Das Landgericht Braunschweig als Vorinstanz hatte in seinem Urteil vom 28.09.2021 (16 KRS 406 Js 59398/16) die Angeklagten vom Vorwurf der Untreue frei gesprochen, weil es die Auffassung vertrat, dass zwar objektiv eine Untreue vorliegen würde, aber die Angeklagten nicht vorsätzlich gehandelt hätten. Der BGH hat dieses Urteil aufgehoben und den Fall zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück verwiesen.

Für die arbeitsrechtliche Praxis ist diese Entscheidung insofern von Bedeutung, als der BGH für die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern in seinem Urteil strenge Vorgaben gemacht hat. Über den Inhalt des Urteils und auch die Konsequenzen für die Praxis informiert Sie Herr Rechtsanwalt Heinz Herberth.

Als Ausgangspunkt sind zunächst die gesetzlichen Regelungen und die hierzu ergangenen arbeitsrechtlichen Entscheidungen zu betrachten. So führt § 37 Abs. 1 BetrVG ausdrücklich aus, dass die Mitglieder des Betriebsrats ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt führen. Damit soll die Unabhängigkeit der Betriebsräte gewährleistet und gleichzeitig eine Bewertung der Betriebsratstätigkeit für Vergütungszwecke ausgeschlossen werden.  § 37 Abs. 4 BetrVG regelt wiederum, dass das Arbeitsentgelt der Betriebsräte nicht geringer bemessen werden darf als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Vergleichbar im Sinne von § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG sind Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben wie das Betriebsratsmitglied und dafür in gleicher Weise wie dieses fachlich und persönlich qualifiziert waren. Üblich ist eine Entwicklung, die vergleichbare Arbeitnehmer bei Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen haben. Dabei muss der  Geschehensablauf so typisch sein, dass aufgrund der Gegebenheit und der Gesetzmäßigkeiten zumindest in der überwiegenden Anzahl der vergleichbaren Fälle mit der jeweiligen Entwicklung gerechnet werden kann. Deshalb hat auch das Bundesarbeitsgericht, so zuletzt in seiner Entscheidung vom 22.01.2020 (7 AZR 222/19) hervorgehoben, dass die Übertragung höherwertiger Tätigkeiten nur dann betriebsüblich sei, wenn diese dem Betriebsratsmitglied nach den betrieblichen Gepflogenheiten hätten übertragen werden müssen oder die Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer einen solchen Aufstieg erreicht.

Nach § 37 Abs. 4 BetrVG ist daher allein maßgeblich die betriebsübliche Vergütungsentwicklung der Vergleichspersonen.

Allerdings sieht § 78 Satz 2 BetrVG vor, dass Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung.

Dabei handelt es sich um eine hypothetische Betrachtung der Vergütungsentwicklung von Betriebsratsmitgliedern. Hier gilt das Motto: „Was wäre aus mir geworden, wenn ich nicht Betriebsrat geworden wäre“.

Ein Anspruch aus § 78 Satz 2 BetrVG setzt voraus, dass dem Betriebsrat der Nachweis gelingt, dass er ohne seine Tätigkeit als Mitglied des Betriebsrats inzwischen mit einer Aufgabe betraut worden wäre, die ihm den Anspruch auf das begehrte Arbeitsentgelt geben würde. Ein solcher Nachweis scheitert in der Praxis regelmäßig. Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 20.01.2020 mehrere Möglichkeiten aufgezeigt, in denen eine derart hypothetische Betrachtung in Frage komme. Zum einen sei das der Fall, wenn das Betriebsratsmitglied vortrage, dass eine Bewerbung auf eine bestimmte Stelle gerade wegen seiner Betriebsratstätigkeit erfolglos geblieben sei, dass er die Bewerbung gerade wegen seiner Freistellung unterlassen habe und die Bewerbung ohne die Freistellung erfolgreich gewesen wäre bzw. wenn eine tatsächliche oder fiktive Bewerbung an fehlenden aktuellen Fachkenntnissen scheitern würde. Dieser hypothetischen Betrachtungsweise hat der BGH kaum mehr einen Raum gelassen. Vielmehr geht der BGH davon aus, dass die Betriebsratsmitglieder nach der Vergleichsgruppe zu vergüten sind. Er greift insoweit auf § 37 Abs. 4 BetrVG als Regelfall zurück. Demnach schließe die gesetzliche Regelung des § 37 Abs. 4 BetrVG, wonach das einem Betriebsrat zu zahlende Arbeitsentgelt nach der Vergütung vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung zu bemessen sei, eine Bewertung der Betriebsratstätigkeit für Vergütungszwecke aus. Denn die Betriebsratstätigkeit sei unentgeltlich auszuüben. Dieses verbiete es, auf die hypothetische Gehaltsentwicklung des Betriebsrats bei einer Sonderkarriere abzustellen. Vergleichbar sei vielmehr nur, wer im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, ihm wesentlich gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt habe und dafür in vergleichbarer Weise wie der Betriebsrat fachlich und persönlich qualifiziert sei. Darüberhinausgehende Vergütungserhöhungen würden gegen das Begünstigungsverbot aus § 78 Satz 2 BetrVG verstoßen und die Vermögensbetreuungspflicht verletzen.

 

Auswirkung auf die Praxis:

Die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern, vor allem bei VW in der Größenordnung von bis zu  700.000,00 Euro Jahresgehalt, die teilweise nach ihrem Schulabschluss noch nicht einmal eine Ausbildung abgeschlossen haben, ist nicht nur unanständig, sondern stellt auch eine Straftat in Form einer Untreue dar. Insofern ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu begrüßen. Sie wird zumindest bei Unternehmen zu einem Nachdenken bei der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern führen. Allerdings darf dies nicht dazu führen, dass dann Betriebsräte infolge dieser Entscheidung im Sinne von § 78 Satz 2 BetrVG benachteiligt werden. Nach wie vor stellt § 78 Satz 2 BetrVG auch die Grundlage für die Vergütung von Betriebsräten dar. Immer noch muss der Grundsatz „was wäre aus mir geworden, wenn ich nicht Betriebsrat geworden wäre“ gelten, auch wenn diese hypothetische Betrachtungsweise in der Praxis häufig am entsprechenden Nachweis scheitern wird. Die Vergleichsbetrachtung nach § 37 Abs. 4 BetrVG stellt zumindest nach dem Willen des Gesetzgebers nur eine Mindestvergütung dar, da ausdrücklich geregelt ist, dass die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern „nicht geringer“ als die der Vergleichsperson sein darf. Dies lässt denknotwendigerweise die Schlussfolgerung zu, dass auch eine höhere Vergütung beansprucht werden kann, allerdings obliegt es dann dem Betriebsratsmitglied nachzuweisen, dass diese ihm auch zusteht.

Heinz Herberth, Rechtsanwalt

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