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Prädikat: Familienfeindlich

 

Capital 11/2008 

Donnerstag, 24. Juli 2008

Führungskräfte stoßen häufig auf Widerstand, wenn sie mehr Zeit für die Familie haben wollen. So wie Achim Schwarz aus Düsseldorf - der seinen Arbeitgeber sogar verklagt hat.

von Volker Votsmeier

Führungskräfte stoßen häufig auf Widerstand, wenn sie mehr Zeit für die Familie haben wollen. So wie Achim Schwarz aus Düsseldorf - der seinen Arbeitgeber sogar verklagt hat.
Der rot-braune Zweckbau mit den weißen Kunstofffenstern hinter dem Düsseldorfer Hauptbahnhof ist wenig markant. Bei der zweijährigen Katharina hat er jedoch nachhaltig Eindruck hinterlassen. "Papa Arbeit", ruft das blonde Mädchen aufgeregt, als sie das Arbeitsgericht erblickt. Mit Oma und Opa holte sie hier vor einigen Wochen ihren Vater ab, der an einer Verhandlung teilgenommen hatte. Die Kleine weiß, dass ihr Vater Schwierigkeiten mit der Firma hat - und an diesem Ort eine wichtige Entscheidung für ihn und die Familie fällt.

In der Tat: Das Arbeitsgericht Düsseldorf urteilt in Kürze über den Fall "Achim Schwarz ./. Ernst & Young AG". Kurz vor der Geburt ihrer Tochter im November 2005 hatten Ernst & Young-Projektmanager Schwarz und seine Freundin Désirée Wesselmann entschieden, sich die Kindererziehung zu teilen. Zunächst nahm sie ein halbes Jahr Auszeit, dann er. Danach wollten beide in Teilzeit arbeiten, um sich abwechselnd um Katharina kümmern zu können. Doch daraus wurde nichts. "Der Wunsch nach Teilzeit lässt sich mit der von Ihnen bekleideten Managerposition nicht vereinbaren", beschied Ernst & Young. "Das war ein richtiger Schock", erinnert sich der 40-jährige Schwarz. Der Fall landete vor Gericht.
Wie solche und ähnlich gelagerte Prozesse enden, dürfte manchen anderen (werdenden) Vater in leitender Position ebenfalls brennend interessieren. Denn auch wenn Familienministerin Ursula von der Leyen nicht müde wird, die Elternzeit und das 2007 eingeführte Elterngeld als Erfolgsmodelle zu feiern: Der Blick in die Statistik belegt, dass sich der Bewusstseinswandel in Sachen Aus- und Teilzeit für Väter sehr zögerlich vollzieht.
Väter in Elternzeit sind noch immer selten
Zwar stammen rund zwölf Prozent der bewilligten Anträge auf Elterngeld von Männern. Doch die meisten Väter haben lediglich die zwei Monate Mindestpause in Anspruch genommen, die nötig sind, um den Elterngeldanspruch der Familie von zwölf auf 14 Monate aufzustocken (siehe "Lohnende Auszeit"). Gerade zehn Prozent haben ein komplettes Jahr pausiert; und der Anteil der Führungskräfte unter ihnen ist gering. "73 Prozent der Arbeitnehmer in gehobenen Positionen geben an, dass eine geeignete Vertretung fehlt und 59 Prozent fürchten Karrierenachteile", sagt Andreas Zimmermann vom Deutschen Führungskräfteverband, der rund 1000 Verbandsmitglieder exklusiv für Capital befragt hat. Dass sich die Situation mit Einführung des Elterngeldes deutlich gebessert hat, glauben nur sechs Prozent der Befragten.

Zurück zum Fall Schwarz. Laut Gesetz dürfen Arbeitnehmer während der Elternzeit die Stundenzahl reduzieren. Dies muss der Arbeitgeber hinnehmen, sofern keine "dringenden betrieblichen Gründe" dagegen sprechen. Darauf beruft sich Ernst & Young. Schwarz arbeitete in der Transaktionsberatung, dort werden zum Verkauf und Kauf stehende Firmen auf Herz und Nieren geprüft. "Hier gibt es meist riesigen Zeitdruck. Unsere Kunden erwarten, dass die Berater täglich verfügbar sind", begründet Ernst & Young-Sprecher Dag-Stefan Rittmeister das Nein. Schwarz hält entgegen, dass eine Kollegin mit ähnlichen Aufgaben und vergleichbarer Position sehr wohl in Teilzeit arbeitet. Auch in anderen Abteilungen sei dies durchaus üblich. Die Quote der Teilzeitbeschäftigten in Düsseldorf liegt bei rund zehn Prozent.

Dennoch unternahm Schwarz zwei weitere Versuche, die Arbeit wieder aufzunehmen. Er fuhr zum Graf-Adolf-Platz, in das ellipsenförmige Hochhaus aus Glas und Stahl, wo die Berater von Ernst & Young residieren. Doch sein Schreibtisch war schon von einem Kollegen belegt. Der Abteilungsleiter zitierte ihn in sein Büro. "Das Klima war eisig", erinnert sich Schwarz. "Es war keine Kompromissbereitschaft zu erkennen." Schließlich kam die ultimative Aufforderung: "Herr Schwarz, bitte verlassen Sie den Arbeitsplatz."
So musste sich die Familie beugen und entschied, dass der Vater sich ganz der Tochter widmet. "Wir wollten nicht, dass unser Kind von mir kaum etwas mitbekommt. Daher musste ich für zwei Jahre komplett aussteigen." Damit abfinden will er sich nicht. Jetzt kämpft er vor Gericht um sein Recht.
Seit einigen Wochen geht Schwarz wieder zur Arbeit, denn seine Elternzeit ist zu Ende. Von Wiedersehensfreude seitens der Vorgesetzten ist aber wenig zu spüren. Er musste sich erst einmal an einem Tisch zwischen Kopiergerät und Kaffeeküche einrichten. Dann sollte Schwarz Aufgaben übernehmen, ohne darauf nach seiner zweijährigen Auszeit ausreichend vorbereitet zu werden. "Ich fühle mich verschaukelt; so etwas hätte ich vor zwei Jahren nicht für möglich gehalten."

"Einerseits werden Väter aufgefordert, sich an der Kindererziehung zu beteiligen, andererseits werden sie vom Arbeitgeber ausgebremst", sagt Schwarz` Lebensgefährtin Wesselmann, dafür fehle ihr das Verständnis. Katharina ist auf ihrem Schoß eingeschlafen. Seitdem ihr Papa wieder arbeitet, ist sie ziemlich durcheinander.
Zwei Tage in der Woche passen die Großeltern auf sie auf, zwei Tage fährt sie mit der Mutter nach Bonn. Wesselmann arbeitet dort an einer Gesamtschule und gibt Katharina während der Unterrichtszeit bei einer Tagesmutter ab. Die Nacht ist kurz an diesen Tagen, um sechs Uhr müssen die beiden aus den Federn. "Da ist es einfach schwierig für eine Zweijährige, einen Rhythmus zu finden", weiß Wesselmann. Erst nach den Sommerferien kann sie ihre Arbeitszeit reduzieren, um sich wieder mehr um das Kind zu kümmern. Zudem kommt Katharina in den Kindergarten. Dann läuft wieder alles in geregelten Bahnen.
Signalwirkung für Führungskräfte
Ob Ernst & Young das Recht hatte, Schwarz den Teilzeitjob zu verweigern, muss jetzt das Arbeitsgericht entscheiden.
Am 14. August soll das Urteil gesprochen werden. Vordergründig stehen 50 000 Euro auf dem Spiel. So viel Gehalt ist Schwarz entgangen, weil ihm die Firma den Teilzeitjob verweigert hat. Doch ihm geht es auch ums Prinzip: "Ich will wissen, ob ich zu Recht auf das Gesetz vertraut habe", sagt Schwarz. Ein Vergleichsangebot des Gerichts hat er ausgeschlagen; er will ein Urteil. "Es handelt sich um einen Präzedenzfall, der für Führungskräfte eine Signalwirkung haben könnte", sagt Schwarz` Rechtsanwalt Martin Pröpper von der bundesweit tätigen Arbeitsrechts-Kanzlei Ulrich Weber & Partner.
Dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie immer wichtiger wird, steht wohl außer Frage. Doch längst nicht jeder Arbeitgeber spielt mit. Oder liegt die Widerspenstigkeit nur am neuen Motto von Ernst & Young In aktuellen Anzeigen heißt es: "Neue Wege geht man nicht, indem man anderen hinterherläuft."

 
Waldemar Pelke