Rechtsprechungsänderung: Verfall von virtuellen Optionsrechten nach Beendigung des Arbeitsverhältniss
Frau Rechtsanwältin Meyer-Renkes stellt ein wegweisendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts vor. Mit seinem Urteil vom 19. März 2025 – 10 AZR 67/24 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass bestimmte Verfallklausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zum Verfall virtueller Optionsrechte nach Beendigung des Arbeitsverhältnis unwirksam sind. Damit hält der entscheidende Senat ausdrücklich nicht mehr an seiner Rechtsprechung aus dem Jahr 2008 fest, in der er den sofortigen Verfall bereits getestete Option, die während des Arbeitsverhältnis noch nicht ausgeübt werden konnten, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für zulässig erachtet hat.
Leitsatz der Entscheidung
Bestimmt eine Verfallklausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen, dass zu Gunsten des Arbeitnehmers gevestete virtuelle Optionsrechte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Eigenkündigung sofort verfallen, benachteiligt diese den Arbeitnehmer unangemessen gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB. Das gleiche gilt für eine Klausel, vorsieht, dass die gevesteten virtuellen Optionsrechte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses doppelt so schnell verfallen, wie sie innerhalb der Vesting-Periode entstanden sind.
Sachverhalt
Die Entscheidung des BAG betraf einen Arbeitnehmer, der seit 2019 an einem virtuellen Optionsprogramm seiner Arbeitgeberin teilgenommen hatte. Nach den Bestimmungen des Programms setzte die Ausübung der virtuellen Optionen deren Ausübung nach Ablauf einer Vesting-Periode und zusätzlich ein Ausübungsereignis wie einen Börsengang voraus. Die Option wurden grundsätzlich nach einer Mindestwartezeit von 12 Monaten innerhalb einer Vesting-Periode von insgesamt 4 Jahren gestaffelt ausübbar.
Im vorliegenden Fall war der Kläger vom 1. April 2018 bis zum 31. August 2020 bei der Beklagten beschäftigt.
Das Arbeitsverhältnis endete durch eine fristgerechte Eigenkündigung des Klägers. Zum Zeitpunkt des Ausscheidens der Kläger waren 31,25 %, der ihm zugeteilten Optionsrechte gevestet. Die Beklagte lehnte den Anspruch des Klägers auf diese Optionen unter Hinweis auf den vertraglich geregelten Verfall der Optionsrechte ab. Der 10. Senat des BAG entschied anders als das Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht, dass die Verfallklausel unwirksam ist und ein Verfall der virtuellen Optionen noch nicht stattgefunden habe.
Begründung
Das BAG begründete seine Entscheidung damit, dass die gevesteten Optionen eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung dargestellt hätten, was insbesondere aus der Aussetzung des Vestings für Zeiten ohne Entgeltanspruch folge. Der sofortige Verfall der Optionen nach Beendigung des Arbeitsverhältnis steht dem Rechtsgedanken des § 611 a Abs. 2 BGB entgegen und erschwere eine Kündigung unverhältnismäßig. Auch der sukzessive Verfall gevesteter Optionen nach dem Ausscheiden benachteiligt den Arbeitnehmern in diesen Fall unangemessen.
Fazit
Die Entscheidung des BAG ist für die Praxis von großer Bedeutung gerade da sie eine Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Verfallsklauseln in Aktienoptionsplänen bedeutet. Die bisher allein vorliegende Pressemitteilung zu dem Urteil lässt den Umfang der Bedeutung jedoch noch nicht abschließend bewerten. Es ist noch nicht bekannt, mit welcher Begründung der Senat seiner Rechtsprechung zum Verfall aus Aktienoptionen aus 2008 aufgegeben hat. Arbeitgeber sollten ihre bestehenden Arbeitnehmerbeteiligungsprogramme und die darin über enthaltenen Verfallklausel überprüfen. Möglicherweise müssen unwirksame Klauseln angepasst werden, um rechtliche Risiken zu minimieren. Im Übrigen ist zu raten, dass sofern Verfallklauseln vereinbart werden, diese zwischen den Gründen für die Beendigung des Arbeitsverhältnis differenzieren.
Arbeitnehmer werden im Hinblick auf die Rechtssprechungsänderung ihre Ansprüche prüfen und gegebenenfalls unter Beachtung von bestehenden Ausschlussfristen ihre Ansprüche geltend machen.
Zu beachten ist, dass sich das Urteil nur auf gevestete Optionsrechte bezieht und nicht auf noch nicht gevestete Optionsrechte.
Für international agierende Arbeitgeber und Unternehmensgruppen besteht weiterhin die Möglichkeit, Aktienoptionsprogramme und die Anstellungsverhältnisse voneinander zu entkoppeln. Werden die Aktienoptionen von einer Auslandsgesellschaft gewährt, die nicht der Arbeitgeber sind, so ist eine differenziertere Betrachtung vorzunehmen, da das entsprechende ausländische Recht zur Anwendung kommen wird.