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Kanzlei-Blog Ulrich Weber & Partner

Mindestlohn wurde nicht gezahlt - Haftet der Geschäftsführer der GmbH persönlich?

Die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns ist derzeit wieder in aller Munde. Die Mindestlohn-Kommission aus Vertretern der Arbeitgeber und der Gewerkschaften hat kürzlich eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns ab dem 01.01.2024 auf 12,41 EUR pro Stunde und ab dem 01.01.2025 nochmals auf 12,82 EUR pro Stunde vorgeschlagen. 

Der gesetzliche Mindestlohn findet sich jedoch nicht nur in der politischen Diskussion, sondern auch in der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung wieder. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 30.03.2023 (Az.: 8 AZR 120/22) entschieden, dass Geschäftsführer einer GmbH für unterbliebene Zahlungen des gesetzlichen Mindestlohns nicht persönlich haften. Herr Rechtsanwalt Dominik Kranz erläutert die wesentlichen Aspekte der aktuellen Entscheidung und nimmt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Anlass, nochmals auf die wichtigsten Regelungen des Mindestlohngesetzes (MiLoG) einzugehen.

Mit dem am 01.01.2015 eingeführten MiLoG ist eine Lohnuntergrenze eingeführt worden, die nicht unterschritten werden darf. Sie soll Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor unangemessenen Löhnen schützen und damit zur Lohngerechtigkeit beitragen.

Der gesetzliche Mindestlohn gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab 18 Jahren. Keinen Anspruch auf die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns haben demnach zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, ehrenamtlich Tätige sowie Personen, die einen freiwilligen Dienst ableisten, Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einer Maßnahme der Arbeitsförderung, Selbstständige, Langzeitarbeitslose innerhalb der ersten sechs Monate nach Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt, Menschen mit Behinderungen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten. Unter bestimmten Voraussetzungen steht auch Praktikantinnen und Praktikanten der gesetzliche Mindestlohn zu.

Verstöße gegen die einschlägigen Bestimmungen des (MiLoG) haben zumeist ein Bußgeld in erheblicher Höhe zur Folge. Im Laufe der Zeit hat sich eine überschlägige Berechnung des Bußgeldes herauskristallisiert: Lohneinsparung x 2 + 30 %. Werden beispielsweise drei Arbeitnehmer in Vollzeit über ein halbes Jahr lang zwei Euro unter dem Mindestlohn vergütet,  ergibt sich eine Ersparnis des Arbeitgebers von knapp 6.000,00 EUR. Nach der vorliegenden Berechnungsformel kann somit ein Bußgeld zwischen 15.000,00 € und 20.000,00 € drohen. 

 

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30.03.2023 (Az.: 8 AZR 120/22)

Das Bundesarbeitsgericht hatte mit Urteil vom 30.03.2023 nun über die Frage zu entscheiden, ob ein Geschäftsführer einer GmbH gegenüber der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer bei einem Verstoß gegen das MiLoG persönlich haftet.

Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der seit dem Jahr 1996 bei dem beklagten Arbeitgeber im Rahmen einer 40-Stunden-Woche und mit einem monatlichen Bruttolohn in Höhe von 1.780,00 EUR beschäftigt war. Der Arbeitgeber zahlte dem Kläger teilweise monatelang verspätet seinen Arbeitslohn. Daraufhin machte der Kläger im Jahr 2017 von seinem Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung Gebrauch und erbrachte für den Arbeitgeber im Juni 2017 keine Arbeitsleistung. Eine Vergütung für den Monat Juni 2017 hatte der Kläger ebenfalls nicht erhalten. Im November 2017 wurde über das Vermögen des Arbeitgebers ein Insolvenzverfahren eröffnet.

Mit seiner Klage nahm der Kläger nicht den insolventen Arbeitgeber, sondern dessen Geschäftsführer auf Schadensersatz wegen von dem Arbeitgeber für den Monat Juni 2017 nicht geleisteter Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns (zum Zeitpunkt der Klageerhebung 8,84 EUR) in Anspruch.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass sein Arbeitgeber ihm für den Monat Juni 2017 eine Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns hätte zahlen müssen und die Geschäftsführer hierfür aus § 823 Abs. 2 BGB persönlich haften. Die fahrlässige oder vorsätzliche Nichtzahlung des gesetzlichen Mindestlohns sei bußgeldbewehrt. Die Geschäftsführer seien als gesetzliche Vertreter der GmbH nach § 9 OWiG taugliche Täter der Ordnungswidrigkeit.

Der Kläger war in allen drei Instanzen erfolglos. Das Bundesarbeitsgericht wies die eingelegte Revision des Klägers mit der Begründung zurück, dass nach der gesetzlichen Wertung die Haftung von Geschäftsführern grundsätzlich auf das Verhältnis zur Gesellschaft begrenzt sei und die Geschäftsführer gegenüber außenstehenden Dritten (dem Kläger als Arbeitnehmer) grundsätzlich nicht persönlich haften. Vielmehr sei die Außenhaftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, darunter zählt auch die Lohnzahlung an die Beschäftigten, auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Für eine (ausnahmsweise) persönliche Haftung des Geschäftsführers müsse ein besonderer Haftungsgrund bestehen, der vorliegend nicht ersichtlich sei.

Der einschlägige Bußgeldtatbestand des MiLoG stelle kein Schutzgesetz zu Gunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der GmbH in ihrem Verhältnis zu den Geschäftsführern dar. Mangels Vorliegen eines Schutzgesetzes müsse auch eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB ausscheiden.

Zwar verfolge der Gesetzgeber mit dem MiLoG sowohl Individual- als auch Gemeinwohlinteressen. Durch die Normierung eines angemessenen Verhältnisses von Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt sollen die Existenzsicherung durch Arbeitseinkommen als Ausdruck der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG) für alle im Inland tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gewährleistet und damit zugleich die sozialen Sicherungssysteme entlastet werden.

Würde man die einschlägigen Bußgeldtatbestände des MiLoG als entsprechendes Schutzgesetz anerkennen, würde dies dazu führen, dass Geschäftsführer selbst bei nur (leicht) fahrlässiger Verwirklichung des Bußgeldtatbestands des MiLoG nach § 823 Abs. 2 BGB auf Schadensersatz in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns in Anspruch genommen werden könnten. Dies würde jedoch das oben genannte Haftungssystem einer GmbH unterlaufen, welches eine Außenhaftung des Geschäftsführers gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gerade nicht vorsieht.

 

Bewertung für die Praxis

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist folgerichtig. Das Haftungssystem einer GmbH darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass im Zusammenhang mit einer unterbliebenen Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns ein Schutzgesetz zu Gunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschaffen wird. Dies bedeutet jedoch nicht, dass in der Praxis über Verstöße gegen das Mindestlohngesetz hinweggeschaut werden darf. Im Gegenteil: Im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und einer fairen Lohngestaltung ist es unerlässlich, Verstöße gegen das Mindestlohngesetz konsequent zu ahnden und somit eine Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns sicherzustellen.

Dominik Kranz, Rechtsanwalt

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