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Prozessbetrug kann außerordentliche Kündigung rechtfertigen

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat mit Urteil vom 19.08.2025 (Az.: 2 SLa 735/24) über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung infolge wahrheitswidriger Aussagen eines Arbeitnehmers in einem Prozess gegen den Arbeitgeber zu entscheiden.

Herr Rechtsanwalt Dominik Kranz erläutert die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen in seinem aktuellen Blockbeitrag.

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt führte der beklagte Arbeitgeber einen E-Bike-Fachhandel. Der Kläger war seit Januar 2016 bei der Beklagten beschäftigt. Bis Juni 2021 war er als Verkäufer in einer Filiale tätig. Ab Juli 2021 war er dann Filialleiter einer neu eröffneten Filiale. Am 11.12.2023 führte die Beklagte eine Inventur durch. Diese ergab, dass sieben Fahrräder fehlten. Am 27.12.2023 führte u.a. der Kläger eine erneute Inventur durch. Sie ergab, dass 12 Fahrräder fehlten. Bei fünf konnte der Verbleib aufgeklärt werden. Bei den anderen sieben war die Aufklärung des Verbleibs nicht möglich.

Daraufhin hörte die Beklagte den Kläger zu dem Verbleib der fehlenden Fahrräder und dem Verdacht von Schwarzgeldgeschäften an. Mit Schreiben vom selben Tag erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage verbunden mit dem Klagebegehren auf Zahlung eines Bonus in Höhe von 10.000 EUR brutto. Als Beweis legte der Kläger ein als Arbeitsvertrag vom 15.1.2016 bezeichnetes Schriftstück vor, das die Beklagte allerdings nicht unterschrieben hatte. Mit Schreiben vom 21.02.2024 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich.  

Nachdem das Arbeitsgericht der Klage noch stattgegeben hat, wies das LAG Niedersachsen die Klage weitestgehend ab und stellte die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung fest. Zur Begründung führte das LAG aus, dass der Kläger einen versuchten Prozessbetrug zu Lasten der Beklagten begannen habe. Nach BAG-Rechtsprechung sind vollendete oder auch nur versuchte Eigentums- und Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitsgebers an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (BAG, 11.12.2003 - 2 AZR 36/03). Der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter haben im vorliegenden Kündigungsschutzverfahren wahrheitswidrig vorgetragen, um dem Kläger einen Vorteil hinsichtlich der geltend gemachten Bonuszahlung zu verschaffen.

In der Geltendmachung einer Forderung, auf die kein Anspruch besteht, kann eine schlüssige Täuschung über Tatsachen liegen. Voraussetzung dafür ist, dass die Erklärung über die Äußerung einer Rechtsauffassung hinausgeht, die als Werturteil nicht Gegenstand einer Täuschung sein kann, und zugleich einen greifbaren, dem Beweis zugänglichen Tatsachenkern enthält. Dies ist etwa der Fall, wenn mit dem Einfordern der Leistung ein Bezug zu einer unzutreffenden Tatsachenbasis hergestellt oder das Vorliegen eines den Anspruch begründenden Sachverhalts behauptet wird (BGH, 22.2.2017 - 2 StR 573/15).

Bewertung für die Praxis

Die Entscheidung des LAG Niedersachsen ist richtig und nachvollziehbar. Wer eine bewusst wahrheitswidrige Erklärung in einem Prozess abgibt, weil er befürchtet, mit wahrheitsgemäßen Angaben den Prozess nicht gewinnen zu können, muss völlig zu Recht eine außerordentliche Kündigung befürchten. Dies muss auch für die Geltendmachung einer Forderung gelten, auf die kein Anspruch besteht.

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